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Kater Moritz

Verantwortlicher Autor: Gerd Kaap Leipzig/Berlin, 07.10.2023, 13:43 Uhr
Presse-Ressort von: John M. Bericht 7461x gelesen
Kater Moritz
Kater Moritz  Bild: John M.

Leipzig/Berlin [ENA] Eine Geschichte mitten aus dem Leben. Die handelnden Personen sind mit keiner lebenden Person identisch und dennoch können wir sie überall beobachten. Auf der Straße , im Büro, im Supermarkt- natürlich in der Sprechstunde beim Arzt. Wir müssen nur genau hinschauen.

Die Sprechstunde Dieser Montagmorgen hat es in sich. Dr. Tom sitzt vor seinem Computer, starrt hinein und sieht, wie sich im Sekundentakt die Liste der wartenden Patienten verlängert. Das Wartezimmer ist übervoll. „Na, dann wollen wir einmal“, murmelt er unhörbar vor sich hin, öffnet die Tür zum Wartezimmer und zeigt auf eine voluminöse Dame. „Kommen Sie bitte herein, Frau Müller“ fordert er die übergewichtige, junge Frau auf. Mühsam – einer Hundertjährigen gleich – quält sie sich auf den Behandlungsstuhl. „Meine Gelenke tun weh, Doktor“, jammert sie. Ein bisschen weniger Gewicht und bald ist alles weg, denkt Dr. Tom. Sagen darf er ihr das nicht. Sie will es nicht hören.

„Ich schreibe Ihnen ein Schmerzmittel auf, dann verschwinden die Gelenkprobleme und Sie können wieder ordentlich gehen.“ An einem anderen Tag wird sie erneut hier sitzen und jammern. Immer das Gleiche. Keine Bewegung, ungesunde Ernährung und dann soll der Arzt in Sekunden alles wegzaubern. Die Stunden trotten vor sich hin. Fortwährend langweilige Gespräche und Krankheiten, deren Ursachen woanders liegen. Im Kopf, in der Nahrung, im Verhalten .... Was will man da tun, fragt sich der Doktor, als er seinen Lieblingspatienten zwischen den Wartenden entdeckt. Moritz, der Kater, steht als Nächster auf der Liste. „Das ist eine Überraschung“, frohlockt der Doktor.

„Komm bitte, Moritz, schön, dich zu sehen.“ Vergnügt ruft er ihn herein. Es kratzt dreimal am Türpfosten. Moritz macht sich einen Meter lang und drückt die Tür mit der linken Pfote auf. „Zumachen musst du, Doktor.“ „Komm, setz dich, Moritz“, bittet der Arzt. Schwerfällig springt der Fellpatient auf den Stuhl, presst seinen Rücken an die Lehne, die Hinterpfoten liegen flach auf der Sitzfläche. Hebt die rechte Pfote, um den Doktor zu begrüßen. „Was fehlt dir?“

„Na ja, Doktor, ich habe Stress“, beginnt Moritz zu erzählen. „Was, du? Womit hast du Stress?“, fragt Dr. Tom ungläubig. „Es ist langweilig im Revier. Die anderen Katzen machen einen gewaltigen Bogen um mich, die Hunde haben Angst vor mir und ich streife ohne Aufgabe durch Wiesen und Gärten. Manchmal beiße ich geradewegs einer Frau in ihre Hinterpfoten, wenn sie mich nicht ruck, zuck hereinlässt. Nur so aus Spaß. Das begreifen die Menschen nicht. Anstatt zu lachen, weinen sie dann. Was soll ich machen, Doktor?“ Es schwingt eine Spur Verzweiflung in seiner Miau-Stimme.

"Ja, das kann Stress sein" sinniert Doktor Tom vor sich hin. "Und wie bekomme ich den los?" Moritz beugt sich auf den Tisch seines Lieblingsarztes und stützt dabei die Vorderpfoten auf die Tischplatte. Sein imposanter Kopf gräbt sich in die Pfoten.„Sieh Moritz“ beginnt Dr. Tom seine Erklärung. „Stress wird man auf dreierlei Arten los: Was einem Stress bereitet, auffressen, sich mit der Situation abfinden, sich unterordnen oder was verrücktes tun und weglaufen..."

„Nummer drei gefällt mir am besten“, jubelt Moritz lautstark los. Derart laut, dass die Schwester aus dem Nebenzimmer hereinschaut und kopfschüttelnd die Tür wieder schließt. „Mir genauso“ meint Dr. Tom beim Anblick der Liste mit den Namen der wartenden Patienten. Ruckartig greift Dr. Tom in den Schrank, kramt seinen alten Strohhut, den er vor vierzig Jahren an der Ostsee aufhatte, hervor. „Steht er mir“?

„Bisschen schlaff, Doktor, na ja, bist ja nicht mehr der Jüngste“ gibt Moritz zu bedenken. „Egal, den setze ich auf“. Im Schank findet er die alte Plastesonnenblume, die er sofort an den Hut heftete, sein rotes Jackett flugs über die Schultern wirft und das klapprige Kofferradio, das sogleich am Hals baumelt. „Geht es dir gut, Doktor?“. Moritz ist in Sorge, ob es nicht alles Zuviel für den Doktor wird.

Taktvoll will Moritz wissen, was er denn vor habe. „Wir gehen gießen.“. „Was?“ Stotternd umrundet Moritz die bunte Gestalt und kann es kaum fassen. „Total abgefahren“, sprudelt es aus ihm raus. „Ja, Ja und mit was wollen wir gießen?“ „Na hier mit meinen beiden Gießkannen.“ Der Doktor scheint verrückt zu sein, denkt der Moritz. Fürwahr, cool ist die Idee. Freudig schrie der Kater: “Yeeeh, wir gehen gießen... wo wollen wir hin zum Gießen, Doktor?“

„Das zeig ich dir“, antwortete Dr. Tom knapp. „Na gut, nur wir brauchen Musik für den langen Marsch. Was spielen wir?“ Mit langen Schritten umrundet der Doktor seinen Tisch, die Hände dabei immer abwechselnd vor und zurückziehend. „Siehst du Moritz, da passt am besten Pink Panther.“ „Dann dreh auf, Doktor“ Laut erklingt die Musik. Doktor Tom öffnet die Praxistür und in Reihe gefolgt von Moritz schreiten beide im Takt zur Tür hinaus auf die Straße. Die Patienten, die zurückbleiben, können es nicht fassen. Einer sagt: „ Mal was Verrücktes tun, das ist die Lösung, danke Doktor!“ Sogleich war er verschwunden.

Moritz und der Doktor marschieren unentwegt durch die Stadt. Ernten Applaus, sind berühmt und genießen, es ihre Idee zu leben. „Du hast mir einiges bisher nicht erzählt, Moritz“, meint der Doktor, beim Betreten des Gartens, den beide zum ersten mal sehen und in dem sie gießen wollen. Fortsetzung folgt als hier, wenn ihr denn mögt. Bis dahin, bleibt fröhlich und etwas verrückt ... Euer Kater Moritz

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